Gedenkfeier 2017

Gedenkfeier zur Reichspogromnacht 09. November 2017
Der Verein Stolpersteine hat jedes Jahr zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht eine kleine Erinnerungsfeier an den Stolpersteinen abgehalten. Seit 2018 wird von den verschiedenen Jugendorganisationen (DGB-Jugend, evangelische Jugend und katholische Jugend) alternierend ein Gedenkweg in Landshut organisiert, bei dem auch der Verein kooperativ mitwirkt.

Als Beispiel einer solchen Gedenkfeier des Vereins wird das Jahr 2017 angeführt, weil sich daraus eine kurze Auseinandersetzung über Leserbriefe in der LZ, angezettelt vom Kreisvorsitzenden der AfD, entwickelte.

Stolpersteine für Landshut – Gegen das Vergessen e.V.
Gedenkfeier 9. November 2017 – Reichspogromnacht
Im folgenden der Originaltext des Redners des Vereins, 2. Vorsitzender Franz Gervasoni
Begrüßung – Theaterstraße 55- 57: Familie Hirsch, Familie Landauer
Im Namen des Vereins Stolpersteine für Landshut – Gegen das Vergessen e.V. darf ich Sie/Euch zu der heutigen Gedenkfeier an die Reichspogromnacht vor 79 Jahren recht freundlich begrüßen und mich für Ihre Anwesenheit sehr herzlich bedanken. Unser Dank gilt auch heuer wieder der musikalischen Begleitung durch Frau Siderova-Spilker, die an den jeweiligen Stationen Lieder spielen wird. Vielen herzlichen Dank. Da ja meistens immer dieselben Gäste hier anwesend sind, glaube ich auf die entsprechenden Biografien der jüdischen Opfer Landshuts nun verzichten zu können. Auch die historischen Hintergründe sind allen wohl sehr bekannt, so dass diese nicht stereotyp wiederholt werden müssen.

Im folgenden möchte ich Ihnen bei den einzelnen Stationen – so wie jedes Jahr bei den Stolpersteinen in der Theaterstraße und vor dem Moserbräu – ein paar kurze Texte vorlesen, die zum Nachdenken anregen sollen/können. Es bewegen mich auch angesichts einer neuen Partei im Deutschen Bundestag bedrückende Gedanken, weswegen ich es für unbedingt erforderlich halte, dass wir diese Erinnerungskultur weiter pflegen und aufrecht erhalten mögen. Denn, wenn ein Mitglied jener Partei (in seinem früheren Beruf auch Geschichtslehrer) eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordert, weil er zu erkennen glaubt, dass (Zitat) „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Wenn er das ernst meint, dann ist das ein ungeheuerlicher Affront gegen die Opfer des Nazi-Regimes und deren Angehörigen, aber auch für diejenigen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, historisch faktisch, objektiv und sachlich aufzuklären. Und deswegen müssen wir uns aktiv diesen populistischen, verwerflichen Ideen entgegenstellen.

Vor genau sechs Jahren – kurz vor der Gründung des „Stolpersteinevereins“ – bekam ich einen anonymen Anruf von einem wie mir schien älteren Herrn, der sich sehr gut mit der Geschichte Landshuts zur Zeit des NS auskannte. Und so nannte er mir einige Namen, die noch mehr wissen würden. Sein letzter Satz in diesem Gespräch ist mir bis heute tief im Gedächtnis haften geblieben. Er sagte: „München war die Hauptstadt der Bewegung, Landshut war der Motor der Bewegung.“ Auf weitere Zitate von Vertretern/Vertreterinnen jener Partei will ich verzichten, denn sie sind zu unglaublich, als dass sie wiederholt werden müssten. Viele von Ihnen erinnern sich noch, dass hier im letzten Jahr in Anwesenheit von Angehörigen fünf Stolpersteine für die Familie Landauer verlegt wurden.
Theaterstraße 65: Familie Schönmann
Von der ursprünglichen Liste, die das Stadtarchiv bzgl. der jüdischen Bürgerinnen und Bürger Landshuts, für die Stolpersteine verlegt werden sollten, sind bereits 21 verlegt. Es fehlen nur noch die Steine für Hedwig Rohrmoser (Luitpoldstraße 6) und in der Seligenthalerstraße 38, die Steine für Gustav (Guido) Ansbacher, seine Frau
Babette und Sohn Martin. Im Juni diesen Jahres waren die beiden Söhnen von Martin Ansbacher und deren
Familien in Landshut zu Gast. Sie waren zu der 100-Jahr-Feier der Synagoge in Augsburg eingeladen und haben dies genutzt, um den Abstecher hierher zu machen. Der eine Sohn Howard lebt mit seinen Angehörigen in Edmonton, Alberta in Kanada und sein Bruder Steven lebt mit seiner Familie in Glasgow, Schottland. Es waren ca. 14 Gäste hier, denen wir die Stadt gezeigt haben und auch das Wohnhaus der Großeltern und des Vaters, sowie die beiden Geschäftshäuser, eines in der Altstadt, das andere am Isargestade. Steven und seine Frau Hilary waren dann eine Woche später nochmal bei uns, um sich die LaHo anzuschauen. Sie würden gerne zur Stolpersteinverlegung ihrer Großeltern bzw. ihres Vaters nach Landshut kommen. Und da hoffe ich nun, dass sich die Stadt Landshut ein bisschen erkenntlich zeigt.
Wenn wir hier stehen bei den Steinen von der Familie Schönmann, fehlen mir bei der Liste des Stadtarchivs die amen von Nathan und Jeanette Scheinmann, die nebenan eine Filiale des „Münchner Schuhwarenhauses“ betrieben haben. Nach verschiedenen Einbürgerungsgesuchen, die jeweils abgelehnt wurden, gelang es den Scheinmanns
im Jahre 1938 über Polen in die USA zu flüchten. Ihr Geschäft wurde am 18. Juli 1938 arisiert und von der Firma Kiermeier übernommen. Text: MÜNCHEN von Chalom Ben-Chorin

Moserbräu: Familie Marx

Neulich war ich geradezu paralysiert, als ich vom Ansinnen der Deutschen Bahn gehört habe, einem ihrer Expresszüge der neuesten ICE-Generation vom Typ 4 den Namen „Anne Frank“ zu geben.
Wie geschmacklos!
Anne Frank – wie zigtausende anderer Terroropfer auch – war ein Opfer des Rechtsvorgängers der Deutschen Bahn. Die Reichsbahn war bei Massentransporten mit über 400 Teilnehmern großzügig, sie berechnete der SS nur den halben Regeltarif: So kostete Anne Franks doppelte Verschleppung nur zwei Reichspfennige pro Kilometer. Die Deutsche Bahn möchte sich mit dem Namen eines im Alter von 15 Jahren ermordeten jüdischen Mädchens schmücken. Eines Mädchens, das ihr Vorgänger umzubringen half. Mit Werbung wird bekanntlich der Verkauf eines Produkts erhöht. Die Bahn möchte also mit Anne Frank Geld verdienen. Wie gesagt: geschmacklos!
Text: Carola Stern

Über diese Aktion stand folgendes am 10.11. 2017 in der Landshuter Zeitung:
Wider das Vergessen
Verein Stolpersteine gedachte der jüdischen Opfer

„Der Verein Stolpersteine für Landshut – Gegen das Vergessen veranstaltete am 9. November anlässlich des 79. Gedenktages zur Reichspogromnacht eine Gedenkfeier in der Altstadt. Um 18.00 Uhr begann die Gedenkfeier bei den verlegten Stolpersteinen für die Familien Hirsch und Landauer in der Theaterstraßee 55 – 57. Der stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Franz Gervasoni, erklärte, dass es jetzt umso wichtiger sei, nachdem eine „völkisch-nationalistische und rassistische Partei wie die AfD“ in den Bundestag eingezogen sei, die Erinnerung an die Ermordung der ehemaligen jüdischen Mitbürger wachzuhalten. Dann ging es weiter zu den Stolpersteinen in die Theaterstraße 65. Der Schluss der Gedenkfeier fand in der Altstadt178/179 (Moserbräu) bei den Stolpersteinen für die Familie Marx statt. Umrahmt wurde die Gedenkfeier musikalisch mit jüdischen Liedern von Mascha Siderova-Spilker.“

Danach kam die Reaktion der AfD mit dem unten abgedruckten Leserbrief.
Stolperfalle für Nazi-Opfer
Zum Artikel „Wider das Vergessen – Verein Stolpersteine gedachte der jüdischen Opfer“, LZ vom 11. November:
„Ob man die „Aktion Stolpersteine“ für eine gelungene Idee hält, um der Opfer des Holocaust in würdiger Manier zu gedenken, mag jeder für sich entscheiden. Jedenfalls ist die Aktion selbst innerhalb der jüdischen Gemeinde umstritten; in München dürfen die Messingsteine bis heute nicht auf öffentlichen Verkehrsflächen verlegt werden. Fest steht auch, dass der Erfinder Gunter Demnig damit seit 1992 europaweit ein patentrechtlich geschütztes erfolgreiches Geschäftsmodell betreibt, von dem es sich gut und gerne leben lässt. Dies sei ihm gegönnt. Dies gibt aber weder ihm noch seinen Vereinsmitgliedern das Recht, über ihre Mitbürger mit eben dem Hass herzuziehen, den sie einer längst abgetretenen Generation zur Last legen. Genau das ist es aber, was Herr Franz Gervasoni mit seiner öffentlichen Äußerung, die AfD sei eine „rassistische Partei“, betreibt. Als Studiendirektor an einem Landshuter Gymnasium wäre von ihm zu erwarten, dass er sich informiert, bevor er sich ein solches Urteil über sechs Millionen Mitglieder und Wähler der Alternative für Deutschland, erlaubt. Ein Blick in das Parteiprogramm der AfD zeigt nämlich, dass die Behauptung verleumderisch ist (auch „völkisch-nationalistisch“ liegt neben der Sache). Als Gymnasiallehrer müsste Gervasoni zudem wissen, dass in Deutschland der Judenhass inzwischen wieder in großem Stil hoffähig geworden ist, und zwar nicht von konservativer Seite, sondern in Gestalt des Islam. (…) Angesichts der rapiden Zunahme des korangläubigen Bevölkerungsanteils bahnt sich daher wieder genau dieselbe verhängnisvolle Entwicklung an, vor der die „Stolpersteine“ warnen sollen. Die Berichte über judenfeindliche Übergriffe, vor allem in Schulen bestimmter Bundesländer, sind ein erstes und ernstes Warnsignal. Die AfD ist die einzige poltische Partei, die dieser Entwicklung entschieden entgegentritt. Sie duldet auch keinen Antisemistismus in ihren eigenen Reihen, das zeigen die einschlägigen Parteiausschlussverfahren. Doch Gervasoni möchte solche Tatsachen nicht gerne zur Kenntnis nehmen. Er müsste sich dann nämlich nicht mehr mit der AfD und der Vergangenheit, sondern mit dem gegenwärtigen real existierenden Islam auseinandersetzen. Das würde allerdings wirkliche Zivilcourage erfordern. Und das wiederum kann man von einem Gymnasiallehrer nun beim besten Willen nicht verlangen.“

Wolfram Schubert, Vorsitzender des Kreisverbandes Landshut-Kelheim Alternative für
Deutschland, 84016 Landshut

Darauf die Replik des angesprochenen Redners.
Eindeutige Abgrenzung fehlt
Zum Leserbrief „Stolperfalle für Nazi-Opfer“, LZ vom 18. November:
„Die mir im Leserbrief von Herrn Schubert unterstellte Aussage, nachdem „eine völkischnationalistische und rassistische Partei wie die AfD“ in den BT eingezogen sei, ist eine sehr verkürzte Darstellung meiner Worte bei der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November 2017. Ich zitiere, was ich damals gesagt habe: ‚Es bewegen mich auch angesichts einer neuen Partei im Deutschen Bundestag bedrückende Gedanken, weswegen ich es für unbedingt erforderlich halte, dass wir diese Erinnerungskultur weiter pflegen und aufrecht erhalten mögen.
Denn, wenn ein Mitglied jener Partei (in seinem früheren Beruf auch Geschichtslehrer) eine „erinnerungs-politische Wende um 180 Grad“ fordert, weil er zu erkennen glaubt, dass (Zitat) „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Wenn er das ernst meint, dann ist das ein ungeheuerlicher Affront gegen die Opfer des Nazi-Regimes und deren Angehörigen, aber auch für diejenigen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, historisch faktisch, objektiv und sachlich aufzuklären. Und deswegen müssen wir uns aktiv diesen populistischen, verwerflichen Ideen entgegenstellen.‘
Bekannte Verleumdungs- und Einschüchterungsstrategien kommen in dem Leserbrief des Herrn Wolfram Schubert doch zum Ausdruck wie etwa, dass ich „über (meine) Mitbürger mit eben dem Hass herziehe, den sie einer längst abgetretenen Generation zur Last legen.“ Dies weise ich entschieden zurück. Einschlägige Studien und Analysen zeigen freilich sehr deutlich, dass bei der AfD eine eindeutige Abgrenzung zu rassistischen, völkisch-nationalistischen, antisemitischen, homophoben und islamophoben Tendenzen nach wie vor fehlt beziehungsweise vermieden wird. Ein Beispiel: Das bekannte AfD-Mitglied Dr. Wolfgang Gedeon zeigt in seinen Publikationen zweifellos eine antisemistische Haltung: Das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnere ihn an „gewisse Schandtaten“, und der wegen Holocaust-Leugnung verurteilte Rechtsextremist Horst Mahler sei für ihn ein „Dissident“.

Dr. Gedeon ist zwar nach seinem Ausschluss aus der AfD-Fraktion im Landtag in Baden-Württemberg fraktionslos, aber immer noch Mitglied in der AfD.“