Die Familien Landauer/Landors

Kontakt seit 29. April 2014

Am 29. April 2014 erhielt der Vorstand folgende email:
„Hello
I am a granddaughter of Dr Richard Landauer, and I am interested to know if there are any ’stumbling stones‘ in the names of his or his wife Edith Hirsch’s families which have been laid in Landshut. If so I would like to visit them. If not I and my wider family would be interested in sponsoring some.
With regards
Miriam Landor“

Wir haben dann diese email beantwortet, indem wir auf die schon geleisteten Nachforschungen und die dabei erzielten Ergebnisse bzgl. der Familien Hirsch und Landauer hingewiesen haben.

Der historische Hintergrund stellte sich wie folgt dar:
Adolf und Cily Hirsch sind die Urgroßeltern von Miriam, Karen und Francis.
Dr. Richard Landauer und seine Frau Edith sind die Großeltern unserer Gäste.
Miriam, ihr älterer Bruder Mark und Schwester Reni sind die Kinder von Robert Felix Landauer. Karen und Francis gehören zur Familie von Stephan (Stephen) Landor. Beide Söhne der Landauers besuchten kurzzeitig das HCG in Landshut. Ihre Tante Eva-Maria Landauer hat ihr Trauma mit nach England genommen, wo sie einsam leidend 1988 verstorben ist.
In ihrer nächsten mail hat Miriam dann gleich einen Besuch in Landshut Mitte Juni angekündigt. Dabei hatte Miriam schon gewisse Vorstellungen, welche Orte sie in Bayern besuchen wollte. Nach dem Aufenthalt in Landshut wollten sie nach München fahren, um mit Frau Dr. Barbara Schier zu sprechen, die 1995 eine kleine Veröffentlichung zum Delphin-Verlag von Dr. Richard Landauer publiziert hatte. Dann waren sie auf der Suche nach dem Haus in Feldafing, wo Richard Landauer die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte, nachdem er nach dem Tod seiner Frau England wieder verlassen hatte. Miriam erinnerte sich, dass sie den Großvater dort gelegentlich besucht haben.
Für ihren Besuch in Landshut lag es nun an uns, aktiv zu werden, um den Gästen aus England und Schottland einen entsprechenden informativen Aufenthalt in der Stadt ihrer Vorfahren zu ermöglichen.

Mit Unterstützung der Stadt haben wir folgendes Programm zusammengestellt:
• Empfang der Stadt im Rathausprunksaal (OB-Vertretung Sigi Hagl)
• Besuch der Stolpersteine der Familie Hirsch (Blumenablage)
• Besichtigung der relevanten Tafeln der Ausstellung Spurensuche am HCG und
anderer Dokumente der Brüder Landauer, z.B. die Zeugnisse. Und Gesprächsrunde
mit den Schülernnen vom HLG (die Initiatoren der Stolpersteine) und vom PSeminar am HCG
• gemeinsames Mittagessen
• Stadtführung (auf Englisch) durch StD a.D. Eike von Borck (Kosten übernimmt die Stadt)
• Besuch der ehemaligen Villa Hirsch am Brühfeldweg

Die Gäste-Gruppe bestand aus Miriam Landor, ihrem Ehemann Jeremy Baster und ihren drei Kindern James, Eric und Naomi, die in Begleitung ihres Partners Max nach Landshut kommt. Dazu gesellen sich die Kinder von Stephen Landor, Karen und Francis. Es war eine sehr intensive, ermunternde und Grenzen überschreitende Begegnung mit den Gästen aus Großbritannien, die sich ihrerseits sehr beeindruckt und sehr bewegt gezeigt haben angesichts des Engagement der Schülerinnen vor Ort.
Im Interview mit der LZ sagte Miriam Landor: „Ich habe sehr gemischte Gefühle. Ich bin durcheinander, aber auch sehr froh, hier zu sein und alles kennenzulernen.“ Francis Landor ergänzte: „Wenn ich hier bin, stelle ich mir vor, wie schwer es unseren Eltern fiel, nach London zu fliegen. Natürlich freuen wir uns, dass ihnen die Flucht gelungen ist.“
Und Karen Landor: „Der Urgroßvater war ein Agnostiker, er hat sich ums Gemeinwohl Landshuts verdient gemacht. Nie hätte er gedacht, als Jude verfolgt zu werden.“
Am abschließenden Tag ihres Aufenthalts in Landshut haben die beiden Vorstände des Stolpersteinevereins mit Miriam und Jeremy die gewonnenen Eindrücke Revue passieren lassen. Dabei wurde erneut der Wunsch von Miriam Landor geäußert, doch auch für die restlichen Mitglieder der Landauers Stolpersteine verlegen zu lassen. Nebenbei haben wir ihnen ebenso die Bedeutung und Zusammensetzung von Weißwürsten und Leberkäse erläutert.
Wir versuchten dies ins Englische zu übertragen: „Weißwurst“ is a snack-time speciality ‚discovered‘ by a Munich apprentice butcher on February 22, 1857; white sausage, a fat delicacy filled to bursting point with calves‘ brains, spleen and veal; if eaten in style, the gourmet’s fingers and teeth do the squeezing.
‚Laib‘ Leberkäse = loaf (because it is offered for sale in long cube-like loaves at butchers‘ and groccers‘ shops) meat loaf. A meat loaf consists of finely ground beef and pork, or what is known as ’sausage meat“ (= Brät).

Einige der jungen Leute haben die Kontakte nach England intensiviert und sind schon bei den Landors gewesen, was eine wunderbare Geste über alle Grenzen hinweg ist. Darüber freuen sich auch unsere Gäste, dass das Zusammentreffen so unkompliziert verlief und wollen natürlich die Kontakte aufrechterhalten, was wir bis dato durch emails bestärkt haben.
Der Verein hat dann versucht, den Wunsch der Landors umsetzen zu lassen, was aber bei den bürokratischen Mühlen und Hürden in Landshut nicht so ganz einfach ist. Erst hat der Kutursenat das Begehren abgelehnt, mit der Begründung, dass die Geflohenen ja keine Opfer der Nazis wären und auch das kommerzielle Argument spielte bei dem ein oder anderen Stadtrat eine unverkennbare Rolle. Erst als ein P-Seminar des HLG sich mit der Geschichte der Landauers näher befasste, waren die Stadtoberen bereit, einer weiteren Verlegung zuzustimmen. Diese erfolgte dann am 25. Mai 2016. Das bedeutete ein Novum für die Stadt Landshut, denn der Stolpersteineverein hat zu dieser Erinnerungsaktion die Nachkommen der Familien Hirsch und Landauers eingeladen. So waren zum ersten Mal Familienangehörige mit dabei, als der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine verlegte, und zwar vor dem Gebäude der Theaterstraße 55 – 57. Sie gelten dem Schicksal von Dr. Richard und Edith Landauer und ihrer Kinder Eva-Maria, Robert Felix und Stefan Klaus.
Rob Landor war zum ersten Mal in Landshut: Der 25jährige Projektmanager, der in Hertford lebt, ist Sohn von Mark Landor and damit Enkel von Robert Felix Landauer/Landor.
„Es ist schön für unsere Familie, dass sich die Deutschen so an uns erinnern:“ Gedenkaktionen wie diese könnten dazu beitragen, dass sich der Holocaust nicht wiederhole. Es freue ihn sehr, wie die Stadt mit dem Thema umgehe. Angetan sei er davon, dass auch der überlebenden Opfer gedacht werde. Und davon, dass sich immer mehr junge Menschen für die Geschichte der Juden in Landshut interessierten.
Zu den bewegendsten Momenten gehörte wohl der, als Karen Landor und Dr. Anton Mößmer in der Ausstellung dicht beieinanderstehend über die 30er Jahre sprachen. Karen ist die Tochter von Stefan Klaus Robert Landauer. Mit ihm drückte der spätere Kinderarzt Mößmer einst die Schulbank. Miriam Landor, die Tochter von Robert Felix, sagte, sie sei glücklich, bei der Stolpersteinverlegung anwesend zu ein, und sie fühle sich geehrt, dass ihre Familie
Teil der Kunst-Gedenkaktion Demnigs sei. Besonders froh sei sie, dass sich auch junge Menschen für dieses Thema interessierten. Denn es sei wichtig, dass nicht nur an die Vergangenheit erinnert werde, sondern auch die Zukunft im Auge behalten werden müsse. Das dritte Aufeinandertreffen mit den Landors fand dann im November 2018 statt. Der Stolpersteineverein hat die Familien zur Gedenkfeier des 80. Jahrestages der Reichspogromnacht eingeladen und die Angehörigen waren dieser Einladung zahlreich gefolgt. Wie diese sehr gut besuchte Veranstaltung ablief, ist unter Aktivitäten näher nachzulesen.