Argyris Sfountouris

Kontakt seit Juni 2013

Mit Argyris Sfountouris haben wir einen besonderen „Zeitzeugen“ nach Landshut eingeladen und kennengelernt. Argyris ist ein feinfühliger, sensibler, geistig hellwacher Mensch, der seine Botschaft mit sinnvollen Argumenten überzeugend darzulegen versucht. Bei den dafür verantwortlichen Behörden, bei deutschen oder auch anderen europäischen Gerichten, stösst er leider auf viel Unverständnis und Ablehnung. Dabei sind seine Forderungen eher bescheiden, denn er will Gerechtigkeit und weiterhin einen konstruktiven Dialog über Länder- und Generationengrenzen hinweg. Seine Hoffnung setzt er stark auf die junge Generation. Persönlich kenne er das Wort „Hass“ nicht, denn Hass führt zur Zerstörung und beeinträchtigt das friedliche Zusammenleben der Völker und Menschen. Er versteht sich als Botschafter des Friedens und der Aussöhnung und versucht dies durch zahlreiche Gespräche mit jungen Menschen, vor allem auch in seiner griechischen Heimat, aktiv vorzuleben.

Während seines zweitägigen Aufenthalts in Landshut wurde er von den Mitgliedern der AG gegen Rassismus und Faschismus des HCG betreut. Sie zeigten ihm die Stadt, gingen mit ihm Kaffee trinken und vertrieben ihm die Zeit, was ihm offensichtlich sehr gut gefallen hat. Nach dem Filmgespräch im Kinoptikum ging der zweite Vorsitzende mit Argyris Sfountouris in den Hofreiter zum Essen. Wir haben ihm noch ein paar Postkarten geschenkt, die einzelne Szenen der Landshuter Hochzeit, die ja in diesem Jahr wieder stattgefunden hat, gezeigt haben, u.a. das damalige Brautpaar Ferdinand Schosser und Veronika Härtl. Und da spielte uns der Zufall in die Hände, denn justament als wir beim Essen saßen, kam das Brautpaar nach einer Probe auch dorthin, und sie haben bereitwillig für Argyris Autogramme geschrieben, worüber er ganz stolz war.

Der zweite Vorsitzende des Vereins ist in regelmäßigem Austausch mit Argyris Sfountouris über email. 2019 jährte sich das Massaker von Distomo, bei dem 32 Familienangehörige von Argyris bestialisch von Wehrmacht und SS-Truppen ermordet wurden, zum 75. Mal. (10. Juni 1944). Dies war u.a. auch der Anlass für Franz Gervasoni bei dieser Gedenkfeier vor Ort zu sein. Da Argyris das Sommerhalbjahr immer in Athen bzw. Distomo verbringt, haben wir vereinbart, dass wir uns am Vorabend dort treffen. Es herrschte bereits ein reges Treiben in dem kleinen, unscheinbaren und nicht besonders ansehnlichen Ort. Aber auf einem kleinen Hügel außerhalb des Zentrums gibt es ein Denkmal mit einem Beinhaus, in dem die 218 Schädel der Ermordeten aufbewahrt sind. Wir haben uns dann in dem Dorf umgeschaut und einige deutsche Aktivisten getroffen: die Leute von der „Liberation Tour“, die im Vorfeld dieses Gedenktages in Bayern umhergereist sind, um die Bevölkerung über die damaligen Geschehnisse und die damit zusammenhängenden Ungerechtigkeiten zu informieren und aufzuklären. Des Weiteren trafen wir einige Personen vom AK Distomo aus Hamburg. Die meisten von ihnen waren Juristen, die schon seit Jahren Argyris Sfountouris in seinem Bemühen, wenigstens eine symbolische Entschädigung zu erhalten, juristisch unterstützen.

Eine weitere sehr interessante Persönlichkeit, die wir kennenlernen durften, war der deutsche Historiker und Journalist sowie Gräzist Eberhard Rondholz. Er fährt jedes Jahr zur Gedenkfeier mit einem befreundeten griechischen Journalisten nach Distomo. Rondholz studierte Geschichte, Politische Wissenschaft und Neugriechische Philologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, der Universität zu Köln und der Nationalen und Kapodistrias-Universität Athen. Viele seiner Rundfunk- und Fernsehfeatures sowie Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften widmen sich Griechenland. Rondholz wurde 2009 mit dem Ehrenring der Vereinigung der Deutsch-Griechischen Gesellschaften ausgezeichnet für seine „schwerpunktmäßige journalistische Auseinandersetzung mit Politik, Geschichte, Kutur und Literatur Griechenlands und seinen Beitrag zu einem differenzierten Griechenland-Bild.“ In den Zeiten der Junta-Herrschaft (1967 – 1974) wurde Rondholz zur „persona non grata“ in Griechenland erklärt, weil er sich auf die Seite der Demokraten und gegen die Obristendiktatur gestellt hat. Ein sehr gut zu lesendes Buch von ihm ist der Titel „Griechenland: ein Länderporträt.“ Es bringt dem Leser die kleinen Feinheiten des griechischen Alltagsleben nahe. Informationen, die man in einem Kunstreiseführer nicht finden wird.

Wir verabredeten uns mit Argyris zum Abendessen und wir hatten kaum Ruhe, uns gepflegt und in angemessener Weise mit ihm zu unterhalten, denn ständig kamen Bekannte, von denen er eine schier unermeßliche Zahl hatte, die unaufhörlich unseren Tisch belagerten. Allmählich freilich legte sich der Auflauf um seine Person, und wir fanden nun Muße, Argyris nach seinem Befinden und seinen weiteren Aktivitäten zu fragen. Aber er scheint nun doch müde zu werden hinsichtlich der Borniertheit und Starrköpfigkeit der deutschen Behörden, den Opfern bzw. deren Nachfahren ihren gerechten Anteil an Entschädigung zukommen zulassen. Dies konnte man auch schon aus seiner letzten mail, die er vor unserer Abreise nach Griechenland geschrieben hatte, herauslesen. Er hat allerdings in diesem Jahr seinen umfassenden Nachlass dahingehend geregelt, dass die Universität in Athen diesen übernehmen wird.
Auf die Frage, ob er denn am nächsten Tag auch bei der Feier am Denkmal teilnehmen wird, antwortete er, dass dies in den letzten paar Jahren nicht mehr möglich war, da er seine ältere Schwester, die an solchen Tagen in eine Depression verfällt, betreuen muss. Also machten wir uns am nächsten Tag mit all den zahlreichen Gästen auf den Weg zum Ehrenmal. Es begann mit einer Liturgiefeier in der Kirche, bei der selbstverständlich die hohe Geistlich-keit und die maßgebenden Politiker teilnahmen. Der Zug raus aus dem Dorf und den klei-nen Berg hinan zum Beinhaus schien nicht enden zu wollen, so viele Menschen haben daran aus der näheren und weiteren Umgebung teilgenommen. Leider hatte die Bundesrepublik Deutschland nur den Stellvertreter des Botschafters in Athenern geschickt, denn der Botschafter selbst wurde einige Wochen vorher abberufen. Die mit Musik untermalten Feierlich-keiten endeten mit der Verlesung der Namen aller Ermordeten, was einen schon erschaudern ließ, vor allem dann, wenn man den Namen unseres Freundes Argyris in einer schier nie enden wollenden Litanei mitanhören musste.
Nach dieser feierlichen Prozedur hat die Gemeinde zu einem Büffet eingeladen, bei dem man sich auch mit verschiedenen anwesenden Aktivisten unterhalten konnte. Ich habe mich dabei sehr ausführlich mit Eberhard Rondholz unterhalten, was besonders aufschlussreich war, da er ein ausgewiesener Experte hinsichtlich der griechischen Geschichte ist. Er hat mir dann auch noch diverse Artikel überlassen, die er in verschiedenen Zeitschriften publiziert hatte.