8. Mai. 2022: Gedenkveranstaltung von VVN/BdA

Bewundernswert langlebig: Seit vielen, vielen Jahren gedenkt die VVN/BdA- Landshut am 8. Mai des Endes des Zweiten Weltkrieges und der unschuldigen Opfer am Erinnerungszeichen der 83 im Außenlager Landshut ermordeten jüdischen Bürger*innen. Dieses Jahr wurde der zweite Vorsitzende des Stolpersteinevereins gebeten, eine kurze Rede zu halten:

„Der Grundkonsens dieses Tages – und auch all der anderen Tage im Jahr – lautet:
Nie wieder!
Nie wieder Krieg!
Nie wieder Faschismus!

Besonders tragisch und niederschmetternd war für mich die Nachricht vom Tode von Boris Romantschenko in Charkiw. Das Haus dort, in dem er lebte, wurde von einem Geschoss getroffen, seine Wohnung brannte aus. Er hat mehrere Konzentrationslager und schwere Zwangsarbeit überlebt, aber diesen Krieg in seiner Heimat nicht. Welch ein Schicksal!

Ein Krieg in unmittelbarer Nähe schreckt die Menschen überall in der Welt auf. Er lässt Politikerinnen hilflos, ratlos und ohne scheinbare Konzeption verzweifelt nach Lösungen suchen, die sie jetzt nicht mehr finden können, weil sie jahre-, jahrzehntelang aus unterschiedlichen Gründen den im Grundgesetz formulierten Auftrag missachtet haben. Dieser Auftrag bezieht sich auf die Würde des Menschen und den Schutz des Wohles und Wehes der Bürgerinnen. Sie haben sich zum Büttel anderer Staaten, anderer Politikerinnen und vor allem der Industrielobby degradieren lassen und dabei haben sie das Gemeinwohl der Bürgerinnen in ihrem Land richtiggehend aus den Augen verloren.
Erschütternd und sehr unmittelbar werden einem diese unsäglichen, unmenschlichen und
nicht mehr vorstellbaren Gräuelaktionen dann sehr deutlich bewusst, wenn man mit Überlebenden oder deren Nachkommen zusammentrifft. Ende April waren Eugen Farkas und Martin Hecht in Flossenbürg bei der Gedenkveranstaltung und haben anschließend Markt Indersdorf besucht, wo sie als Jugendliche 1945 – 1947 auf ihr Leben in Israel vorbereitet wurden. Ihre Schilderungen über das Erlebte lassen einen sprachlos und beschämt zu Boden blicken. Es ist eine Geste der Sprachlosigkeit und der Unbeholfenheit, nicht wissend, welche Reaktion man zeigen soll.
Angesichts dessen, was hier gerade geschieht, habe ich mich sehr gefordert gefühlt, diesen Gedenktag, der ja hoffentlich bald zu einem regulären Feiertag erklärt wird, trefflich, zielführend und mit einer Perspektive nach vorne zu überschreiben. Aber das konnte mir nicht gelingen. Zu kontrovers sind die Diskurse, die in der Öffentlichkeit und auch im Privaten geführt werden. Wie manchmal gar zu lapidar gewisse stereotype Forderungen erhoben werden nach – wie es scheint – einer ultima ratio: neben den paar Helmen, sieben Haubitzen jetzt doch noch schwere Waffen nachzuliefern. Aber mehr Waffen für den Krieg sind jedoch nicht die Lösung – sie sind das Problem. Freilich die Geräte, die die Bundesrepublik den Ukrainern überlassen will, sind vom Schrottplatz der deutschen Industrie. Zudem sind z.B. die Gepard-Panzer nicht leicht zu operieren, d.h. dies erfordert eine längere Ausbildungsphase (ca. zwei Monate). Mehr Waffen bedeuten auch mehr Tote, mehr Verwundete, mehr Verwüstungen, mehr Leid, mehr unwiederkehrbare Zerstörungen von Kulturgütern. Und sie provozieren einen möglichen atomaren Angriffsschlag. Und sollte dies tatsächlich drohend ins Kalkül gezogen werden, bedeutet dies, dass etwa 4.000 nukleare Sprengköpfe auf einen einzigen Knopfdruck ausgelöst werden können.
Prophetisch hat Bertolt Brecht dieses Szenario schon im letzten Jahrhundert beschrieben: „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden.“ Und ist nicht diese Bereitstellung von einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ein mehr als anachronistisches Zeichen der Hilflosigkeit? Statt Diskussionen über Rüstungsbeschränkungen zu führen, werden weitere Steigerungen der Rüstungsausgaben und der Rüstungsexporte in Augenschein genommen, was bei der Industrie und den Lobbyisten zu wahren Jubelstürmen führen dürfte. Eine Frage, die ich hier nicht zu beantworten weiß, betrifft in erster Linie die nachfolgenden Generationen, die dann die immensen Summen zu begleichen haben werden. Auch hier erkenne ich einen Wider-spruch zwischen Realität und den Anforderungen des Grundgesetzes.

Bei all diesem Nachdenken und Grübeln habe ich mich dann an die 1980er und 1990er Jahre erinnert, wo viele sich mutig all den geplanten Waffenarsenalen und der Spirale der Gewalt entgegengestellt haben. Phantasievoll haben sich Schüler*innen und die Friedensbewegten eingebracht, um Blumen blühen zu lassen und den Krieg in die Vergangenheit zu verschieben, wohl wissend, dass die Geschichte objektiv und sachlich richtig aufgearbeitet werden muss. Dies hat in einigen Städten und Familien sicher zu Verwürfnissen geführt, weil keiner dabeigewesen sein wollte.
Wie hoffnungsvoll lauschten wir den Hymnen der Friedensbewegung von John Lennon „Give Peace a Chance“ und „Imagine“: „Imagine all the people living life in peace!“

Doch wir sind davon meilenweit entfernt, unser Einfluss ist nicht sehr groß. Nichtsdestotrotz dürfen wir nicht nachlassen, wenigstens in unserem Mikrokosmos die friedfertige Zielrichtung weiterhin tatkräftig zu verfolgen und zu versuchen, unsere nähere Umgebung in diesen Prozess miteinzubinden.

Vielleicht kann uns dabei folgende kleine Geschichte eine Anleitung sein, indem wir uns dann für die richtige Maßnahme entscheiden:

Schweigend saß der Cherokee Großvater mit seinem Enkel am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.
er Alte sagte nach einer Weile des Schweigens: „Flammenlicht und die Dunkelheit sind zwei Gegenpole. So, wie die zwei Wölfe, die in unserer Brust wohnen.“
Da schaute ihn der Enkel fragend an. Daraufhin erzählte der alte Cherokee seinem Enkel eine alte Stammesgeschichte: „In jedem von uns leben zwei Wölfe. Der eine ist gütig und großzügig, der andere jedoch ist gierig und hasserfült. Der eine Wolf lebt für Gerechtigkeit und Frieden, der andere für Wut, Angst und Hass. Und diese zwei Wölfe kämpfen in uns miteinander. Mitten in unserem Herzen.“ Der Enkel blickt nachdenklich ins Feuer. Nach einem Weilchen fragte er: „Großvater, nun sag schon, welcher von den beiden Wölfen wird den Kampf gewinnen?“ Und der Großvater antwortete: „Der, den du fütterst!““