21. Nov. 2017: Interview mit dem P-Seminar Seligenthal zur Erstellung der Audio-Guides zu den Stolpersteinen

Gerne haben wir die email-Anfrage des P-Seminars Seligenthal „Audio-Guides zu den Landshuter Stolpersteinen“ positiv beantwortet. Gewünscht wurde ein Interview zum Stolpersteineverein und zu den bereits verlegten Steinen sowie die jeweiligen historischen Zusmmenhänge und Hintergründe.
Der zweite Vorsitzende des Vereins erklärte sich bereit, die in einem Interviewleitfaden zusammengefassten Themeneinheiten abzuarbeiten und zu beantworten. Dazu traf er sich mit den Schülerinnen dieses P-Seminars am 21.11.2017 in Seligenthal.

Warum verließen die Ansbachers Leutershausen und warum entschieden sie sich für ein Leben in Landshut?

Der zunehmende aggressive Antisemitismus in Leutershausen, aber auch verstärkt in Mittelund Oberfranken machte in normales Leben unmöglich. Es gab in der Gegend 90% NSDAP-Wähler. Zudem agierte von Mittelfranken aus Julius Streicher, einer der größten und schärfsten Hetzer gegen die Juden. Er publizierte die antijüdische Zeitschrift „Der Stürmer“, die in allen Orten öffentlich in Schaukästen zu lesen war, aber auch Kinderbücher, z. B. „Der Giftpilz“. Martin Ansbacher spielte in einem Fußballclub in seinem Heimatort Leutershausen. Als dieser Club mit einem anderen örtlichen Verein ca. Anfang der 30er Jahre fusionierte, wurden die jüdischen Mitglieder ausgeschlossen. Auch politisch war Martin sehr aktiv, z. B. wurde er der Leiter der Ortsgruppe vom Verband „Reichsbanner Schwarz – Rot – Gold“, einer Unterorganisation der SPD (1924). Die Konsequenz seiner politischen Aktivitäten war, dass die Fensterscheiben des Geschäftes der Familie Ansbacher eingeschlagen wurden. Die Ansbachers entschließen sich, nach Landshut zu ziehen, da sie schon einige Geschäftsreisen nach Niederbayern unternommen hatten, um ihre dortigen Kunden zu besuchen. Die Bevölkerung und die religiöse Toleranz in Landshut sind ihnen anfangs durchaus sympathisch. Auch nach ihrem Weggang von Leutershausen wurden sie von den Nazis von dort („Der Stürmer“) weiter mit „bösartigen Verleumdungen“ bis nach Niederbayern verfolgt, z. B. dass sie „Schacher mit den Bauernhöfen“ betrieben, d. h. die Bauern verschulden sich bei den Juden und werden dann um ihre Höfe gebracht.
Die Ansbachers hatten zwei Geschäfte in Landshut: zuerst (bis 1935/36) in der Altstadt 85/86 (jetzt Bonitas), nicht Nr. 78 wie bei Dr. Tamme steht. Das zweite Geschäft war dann am Isargestade 728, nachdem die Nazis den Vermieter vom Haus in der Altstadt veranlasst/gezwungen haben, den Mietvertrag nicht mehr zu verlängern. Martin und sein Vetter Wilhelm Ansbacher waren gleichberechtigte Teilhaber des Geschäftes bis zu dessen Enteignung 1938. Die beiden Väter unterstützten das Geschäft finanziell und mit ihrer Erfahrung. Die beiden Familien Ansbacher hatten ihren Wohnsitz in der Seligenthalerstraße 38 (bis 1939): Fritz Nathan Ansbacher mit Frau Selma und ihren vier Kindern und Guido (Gustav) Ansbacher mit Frau Babette, Sohn Martin und der Schwiegermutter, Frau Eckmann.

Welchen Einfluss hatten die Boykotte von 1933 auf die Landshuter Juden und ihre Geschäfte? Wie verhielten sich die Landshuter Bürger?

Die Boykotte betrafen zunächst auch die Landshuter jüdischen Geschäftsleute, d.h. sie hatten anfangs einige Einbußen, aber insgesamt waren die Geschäftsumsätze bis November 1938 gut. Entsprechende Aufkleber wurden z.T. an den Geschäften angebracht, wie „Kauft nicht bei Juden!“, vereinzelt gab es auch Aufsichten vor den Geschäften. Insgesamt kann man aber sagen, dass die Landshuter Bürgerinnen schon noch, wenn z.T. auch heimlich in den jüdischen Geschäften einkauften. Die jüdischen Besitzer waren oftmals gern gesehene Nachbarn oder Freunde; viele hatten sich ehrenamtlich in der Stadt betätigt. Adolf Hirsch war sogar Ehrenmitglied bei der TGL, für die er viel gesponsert hat. Er und ein zweiter jüdischer Bürger spielten mit zwei Deutschen bis eben ins Jahr 1938 regelmäßig in einer Schafkopfrunde. Beim ersten Judenboykott am 1. April 1933 wurden die männlichen Ansbachers – und auch die anderen männlichen Juden Landshuts – in Schutzhaft genommen und im Landshuter Gefängnis eingesperrt.Sie kamen nach ca. 5 Wochen wieder frei mit der Auflage „Lösegeld“ zu zahlen: 40.000 RM. Das Geschäftshaus in der Altstadt musste dann unter Druck der Nazis aufgegeben werden.

Die Reichspogromnacht 9./10. November 1938: Welche Aktionen fanden in Landshut statt?

Am 9./10. November waren alle jüdischen Geschäftsräume besetzt. Um 5.00 Uhr morgens drangen Angehörige der SA-Standarte Landshut in das Wohnhaus der Ansbachers in der Seligenthalerstraße 38 ein.
Martin Ansbacher berichtete als Zeuge: Was sich dabei abspielte, war schlimmer als im Krieg. Die SA-Leute waren wohl durch übermäßigen Alkoholkonsum in der entsprechenden Stimmung. Die Großmutter, Karoline Eckmann, wurde mit einem Gummiknüppel übers Gesicht geschlagen, so dass eine längere Behandlung im Achdorfer Krankenhaus notwendig wurde. Martins Vater haben sie das Trommelfell eingeschlagen. Die Ansbachers hatten ein völlig verwüstetes Haus: zertrümmert, zerschlagen, zerfetzt, zerschnitten, zumindest beschmutzt und besudelt. Die Ansbachers haben nach dem 10. November ihr Geschäft und ihre Wohnung nie wieder betreten. Sie wohnten dann in der Inneren Münchener Straße 12, ab 1942 dann in der Seligenthalerstraße 60/III.
Randale gab es auch bei anderen Familien, so z. B. bei der Familie Hahn in der Villa in der Freyung 618. Dabei mitgeholfen haben auch laut Zeugenaussage von Paul Hahn und Martin Ansbacher „ehrenwerte“ Landshuter Bürger, die tatkräftig auf die wehrlosen Opfer einschlugen.
Alle Landshuter Jüdinnen und Juden wurden in Schutzhaft ins SA-Hauptquartier in der Maximilianstraße 16 verbracht; die weiblichen Familienmitglieder wurden gegen Mittag wieder entlassen. Die Berichte in der Presse vom 11.November sind wahrheitswidrig, da es dort heißt, dass keinem Juden ein Haar gekrümmt worden wäre. Für die männlichen Juden ging es am 13. November nach Dachau, wo sich die hilf- und schutzlosen Opfer brutalen, sadistischen Menschen in Uniform gegenübersahen, die sie ihre menschliche Erniedrigung spüren ließen. Ende Dezember wurden alle jüdischen Landshuter aus dem KZ entlassen.

Noch eine Einzelaktion, die exemplarisch stehen mag für die vielen erniedrigenden Demütigungen, die man an widerständischen Bürgerinnen vollzog, soll hier erwähnt werden: Es handelt sich um den Volksmob gegen Dr. Ignaz Tischler, Landgerichtsdirektor in Landshut. Am Morgen des 10.11.1938 wird Dr. Tischler Zeuge eines Gesprächs, bei dem ein Angestellter des Gerichts erzählte, wie er in der vergangenen Nacht zusammen mit anderen SAMännern die Wohnung der jüdischen Familie Ansbacher demoliert hatte. Dr. Tischler sagte, er würde die Täter glatt verurteilen und hielt dem Angestellten noch einmal vor, dass es unklug sei, sich mit solchen Taten zu brüsten. Der Angestellte hat dann dem SA-Sturmbannführer Bericht erstattet und die Kreisleitung der NSDAP unterrichtet. Bei einer Kundgebung der „Deutschen Arbeiterfront“ (DAF) am nächsten Tag im Leiderersaal nahm der Landshuter Kreisleiter der NSDAP in seiner Rede Bezug auf den Landgerichtsdirektor Dr. Tischler: „Mit großer Empörung nahm die Versammlung davon Kenntnis, dass ein hiesiger höherer Richter erklärt hat, wenn er die Macht hätte, würde er die Leute, die ihren deutschen Gefühlen Luft gemacht hätten, niederknüppeln. Leuten aus den Kreisen, die in einer verkehrten Humanität abstrakten Rechts leben, gab er unter tosendem Beifall der Versammlung die Lehre zu bedenken, dass Recht ist, was dem deutschen Volk nützt und Unrecht, was ihm schadet.“ Nun startete die NSDAP mit der Mobilisierung der Straße gegen Dr. Tischler: vor der Wohnung versammelte sich eine größere Menschenmenge gegen 14.30 Uhr, die dort bis 16.00 Uhr randalierte. Am 12.11. 1938 wurde er von etwa 50 jungen Leuten ergriffen und gezwungen, eine vorbereitete Tafel zu tragen: „Tischler ist ein Volksverräter; er gehört nach Dachau!“ Unter Johlen und Zurufen „Judenknecht“ und „Sauhund“ wurde der 61jährige Richter durch die Regensburgerstraße und die Zweibrückenstraße in die Altstadt geführt zur Polizei. Beamtenrechtlich endete der Fall zunächst damit, dass der Landgerichtsdirektor Dr. Tischler auf Empfehlung des Oberlandesgerichtspräsidenten um seine sofortige Versetzung in den Ruhestand bat. Nach langem Hin und Her wurde Dr. Tischler vom Obersten Parteigericht in München von den erhobenen Vorwürfen (Vergehen gegen das Heimtückegesetz) entlastet. Er wurde dann auch noch als Landgerichtsdirektor für das Landgericht München I reaktiviert. Der Denunziant, ein Vertragsangestellter, wurde auf seinen Antrag zum 31.12.1938 entlassen. Im Jahre 1946 gab es Ermittlungen gegen 5 aktive Teilnehmer an der öffentlichen Demütigung des Landgerichsdirektors Dr. Ignaz Tischler. Zwei der Angeklagten wurden zu geringfügigen Gefängnisstrafen verurteilt.

Viele Landshuter Bürgerinnen haben die jüdischen Familien unterstützt und haben noch lange – selbst Parteigänger – bei Juden eingekauft. Macht das Landshut zu einer eher „gemäßigten“ Stadt oder verklärt man hier die Vergangenheit zu sehr?

Beides ist richtig: in bestimmten Sequenzen waren die Landshuter den jüdischen Bürger* innen gewogen und wohl gesonnen, aber von einer eher „gemäßigten“ Stadt kann man nicht sprechen. Immerhin wurde hier die viert- oder fünftälteste Ortsgruppe der NSDAP gegründet und auch über die Phase des Verbots der Partei nach dem Hitler- Putsch haben einige „ehrenwerte“ Bürger über „Scheinvereine“ wie den „Verein für Kunst“, an dem auch Christian Müller und Georg Tippel beteiligt waren, das politische Credo weitergetragen und gepflegt. Des Weiteren agierten in Landshut und von Landshut aus ganz wesentliche Drahtzieher des NS, z. B. Heinrich Himmler, und auch Gregor und Otto Strasser. Gregor Strasser war bis zu seiner Ermordung im Zuge des „Röhm-Putsches“ aktiv. Eine weitere aktive Figur im Sinne des NS war Karl Gebhard, der nach seinem Medizinstudium Himmlers Leibarzt wurde und auch verantwortlich war für das Lungensanatorium in Lychenhausen, wo hauptsächlich SS-Mannen betreut wurden. Er war auch Schüler am heutigen HCG und ging mit Gebhard Himmler in eine Klasse. Darüber himaus war er an medizinischen Versuchen in Auschwitz beteiligt. Er wurde dann bei den Nürnberger Prozessen für seine Taten zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Und sicher wird im Nachhinein einiges verklärt dargestellt. Auch die jüdischen Zeitzeugen sind in ihrem Urteil von Wohlwollen geprägt, wenn ich mir z.B. die Aussagen von Martin Ansbacher anhöre oder auch die Aussagen von anderen Zeitzeugen wie Helmut Teichner, einem der Geschäftsführer bei „Hertie“.

Über das KZ Theresienstadt kann man von der sog. Kavalier-Kaserne folgendes lesen:
„Diese dunklen, nassen und kasemattenartigen Unterkünfte zählten zu den schlimmsten im ganzen Ghetto“. Wie waren die Bedingungen in Theresienstadt?


Wenn man von der Bedeutung des Wortes Kasematte – stammt aus dem Spanischen: „casa“ = Haus und „matar“ = töten, d.h. diese Räume wurden als Mordkeller bezeichnet – ausgeht, kann man schon erahnen, dass die Bedingungen im Lager alles andere als zufriedenstellend waren. Die Situation in der Haft war äußerst brutal. Die Gefangenen wurden oftmals gleich nach ihrer Ankunft blutig geprügelt. Die Lebensmittelrationen wurden im Verlaufe des Krieges immer weiter reduziert und lagen schließlich unter dem Existenzminimum. Die vorgeschriebenen 370 Gramm Brot wurden nur in der ersten Zeit ausgegeben, später sank die Ration auf 250 Gramm. Neben dem Brot bekam ein Häftling einen Schöpflöffel Kaffee- Ersatz und als Hauptmahlzeit eine dünne „Gemüsesuppe“. Die einzige Aufbesserung der mageren Gefängniskost stellten Lebensmittelpakete von Zuhause dar, die von den Aufsehern kontrolliert und nicht selten ausgeraubt wurden. Die Häftlinge waren von der Außenwelt isoliert. Die einzige legale Verbindung stellte der Postverkehr dar.
Mehr als 2.500 Häftlinge kamen im Gefängnis ums Leben, starben aufgrund der schlechten Haftbedingungen, einer unzureichenden Ernährung, aufgrund von Krankheiten und fehlender medizinischer Hilfe, aufgrund der katastrophalen hygienischen Bedingungen. Sie starben an Flecktyphus, wurden zu Tode geprügelt oder hingerichtet. Es waren Oppositionelle aller gesellschaftlichen Schichten, Arbeiter, Wissenschaftler, Ärzte, Priester, Juden, sowjetische Kriegsgefangene, Frauen und Männer, die von der Gestapo verhaftet und nach Theresienstadt deportiert wurden, wo sie auf ihr Urteil warteten, um dann hingerichtet oder zur Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe in ein anderes Lager, Gefängnis, Zuchthaus oder KZ überführt zu werden. Unter den Häftlingen, die das Gestapogefängnis passierten, befanden sich etwa 2.500 Angehörige fremder Staaten, Bürger der Sowjetunion, Briten, Polen, Franzosen und Tschechen.
Es wurde ein Propagandafilm zum KZ Theresienstadt gedreht, der der Weltöffentlichkeit zeigen sollte, wie idyllisch und friedlich das Leben dort war. Kurt Gerron, jüdischer Schauspieler, Regisseur und Kabarettist musste Regie führen. Der Film wurde zur Legende. Kein Kinopublikum hat ihn je gesehen, es existiert keine vollständige Kopie des Films.

Welche Bedeutung hatte das Eiserne Kreuz als Auszeichnung allgemein und speziell für Isidor Schönmann?

Das Eiserne Kreuz wurde vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. am 10. März 1813 gestiftet. Es ist ein Orden für außergewöhnliche Kriegsverdienste, so insbesondere in Europa: Ansehen, Stand und Dienstrang waren im Zusammenhang mit der Verleihung des Ordens nicht von Bedeutung. Die zahlreichen anderen Dienstauszeichnungen können in ihrer politischen und gesellschaftlichen Bedeutung nicht an das EK heranreichen. Von 1813 bis 1918 gehörte das EK der oberen Klasse zu den höchsten Kriegsauszeichnungen Preußens.
Für Isidor Schönmann bedeutete dies selbstverständlich ebenfalls eine hohe Auszeichnung und Ehre und wahrscheinlich insgeheim auch ein gewisses Maß an Sicherheit vor Verfolgung und Diskriminierung.

Welche Rolle spielen Schülerprojekte wie unser P-Seminar in der Erinnerungskultur Landshuts?

Kurze Antwort: eine immens große!
Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, die sich so sicherlich in vielen Städten zugetragen hat, als es darum ging in den betreffenden Kommunen die NS-Zeit aufzuarbeiten. Vgl. etwa Passau und die Facharbeit von Anja Rosmus- Wenninger.
Es gibt für die Stadt Landshut eine Chronik von den Anfängen 1204 bis in die 1990er Jahre, ausgenommen ist die Phase des NS und der Weimarer Republik. Sicher gab es einzelne Publikationen etwa von StD Beckenbauer, von Dr. Spitzlberger oder Heinrich Egner, aber nie eine zusammenhängende wissenschaftliche Arbeit, die sich kritisch mit dieser Thematik auseinandergesetzt hätte. Es gibt auch eine Magisterarbeit von Frau Prof. Dr. Goderbauer- Marchner zu „Gregor Straßer und die Entwicklung der NSDAP in Niederbayern“.
Als dann Anfang der 1990er Jahre die SPD im Stadtrat den Antrag stellte, einen Fachmann/ eine Fachfrau einzustellen, um diesen weißen Flecken in der Stadtgeschichte aufzuarbeiten, passierte es tatsächlich, dass ein Historiker im Stadtarchiv zur Bearbeitung dieses Themas beauftragt wurde. Wie auch immer – ich weiß es nicht, ob er einem gewissen Druck ausgesetzt war – er hat nach zwei Jahren ohne Ergebnis wieder gekündigt. Vergleiche dazu auch die Geschichte um Karl Herzer und die TGL.
Seit die AG des HLG den Antrag bzgl. der Verlegung von Stolpersteinen in Landshut 2011 an den Stadtrat gestellt hat, gerät Bewegung in diese Geschichte, was unbedingt in sachlich objektiver Form notwendig ist. Auch die verschiedenen Seminare an den Schulen helfen mit, das schwierige Puzzle zu vervollständigen. Darum ist ihr P- Seminar nicht unerheblich in diesem Zusammenhang. Auch das Ausstellungsprojekt des HCG (siehe Broschüre) stellt klar die historischen Zusammenhänge im lokalgeschichtlichen Hintergrund her. Einer der Teilnehmer dieses Seminars, Moritz Fischer, wird Anfang nächsten Jahres ein Buch zum Thema Euthanasie und Zwangssterilisation in Stadt und Landkreis Landshut veröffentlichen.

Die Stolpersteine sind ja ein nicht ganz unumstrittenes Projekt. Könnten Sie für uns prägnant die Positionen zusammenfassen und mit Ihrer Meinung enden?

Die Positionen sind schnell umrissen: pro und contra!
Frau Charlotte Knobloch, Vorsitzende der israelitischen Gemeinde Münchens und Oberbayerns, vormalig Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist dagegen. Sie hat zusammen mit dem Ex-OB von München, Christian Ude, durchgesetzt, dass z. B.in München auf offiziellem Grund keine Steine verlegt werden dürfen. Sie sagt, das mit den Steinen sei unwürdig, denn die werden angespuckt, mit Füßen getreten, die Hunde pinkeln drauf. Darüber muss man reden, natürlich. Aber das ist nun wirklich nicht die Intention der Stolpersteine. Die Intention ist, eine Spur sichtbar zu machen …wie eine unsichtbare Fußspur. Diesen Stein direkt vor der Haustür in den Weg zu legen, das ist etwas, das die Blicke auf sich zieht, uns zum Lesen und Nachdenken bringt.
Meine Meinung: Ich respektiere und akzeptiere natürlich die Ansicht von Frau Knobloch, teile sie aber nicht, weil ich voll hinter dem Projekt stehe, und meine Interpretation lautet so: Man stolpert mit den Augen drüber, denn:
• Jeder Stein erinnert an einen Menschen
• Jeder Stein ehrt ein Opfer
• Jeder Stein ist uns Mahnung

Im Frühjahr 2018 wurden diese Audio-Guides der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Audioguides erwecken die Schicksale der Opfer zm Leben. Zu hören sind die Schüler*innen, die die Geschichte der Juden erzählen, aber auch Zitate aus Briefen der Opfer und Originaltöne von Überlebenden. Thematisiert wird das jüdische Leben in Landshut, das Leben während des Natonalsozialismus, der Deportation, aber auch im Exil, wohin einige wenige flüchten konnten. „Mit diesen Audioguides habt ihr den Menschen ein Gesicht und eine Stimme „, gegeben“, sagte Schuldirektorin Ursula Weger. „Nur so ist ein Einfühlen und Mitfühlen möglich, und diese emotionale Betroffenheit ist eine viel stärkere Motivation für das eigene Handeln als das nur kognitive Wissen um die Gräuel des nationalsozialistischen Regimes.“