Vortrag von Prof. Dr. Mark Spoerer, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte – Institut Geschichte – Universität Regensburg
Laut einer Statistik vom 30. September 1944 waren im Arbeitsamtsbezirk Landshut insgesamt 9.571 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt. Davon waren 4.552 Frauen und 5.019 Männer. Viele davon leisteten Zwangsarbeit bei landwirtschaftlichen Betrieben. Während des Jahres 1942 wurden die polnischen Zwangsarbeiter Tomasz Wolak in Deutenkofen, Florian Skupien in Oberlauterbach und Stanislaw Morawski in Wildenberg von SSKommandos aus den KZs Dachau und Flossenbürg unter Leitung der Gestapo Regensburg mit dem Strang öffentlich hingerichtet. Die beiden polnischen Zwangsarbeiter Stanislaw Czabanski aus Furth bei Landshut und Mieczyslaw Gruchacz aus Reicherstetten bei Ergoldsbach wurden 1944 in das KZ Flossenbürg/KZ Bergen-Belsen eingeliefert und sind dort ermordet worden. Zum Verhängnis wurde vielen von ihnen eine Liebesbeziehung zu einer Deutschen Frau. So hieß es in dem Merkblatt, das den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus Polen zweisprachig eröffnet wurde: „Pflichten der Zivilarbeiter polnischen Volkstums während ihres Aufenthaltes im Reich“, in Punkt 7: „Wer mit einer deutschen Frau oder einem deutschen Mann geschlechtlich verkehrt oder sich ihnen sonst unsittlich nähert, wird mit dem Tode bestraft. Dazu reisten aus den KZs Dachau und Flossenbürg Hinrichtungskommandos an, die aus SS-Leuten, einem SS-Lagerarzt und KZ-Häftlingen bestanden. Die Hinrichtungen fanden stets im Walde statt, wobei die Zwangsarbeiter aus der betreffenden Gegend anwesend sein mussten. Die Erhängung ausländischer, besonders polnischer sogenannter „Fremdarbeiter“ wurden vom damaligen Reichssicherheitshauptamt dann angeordnet, wenn der betreffende Arbeiter des „verbotenen Umgangs“ mit deutschen Frauen und Mädchen als überführt angesehen wurde.
Für den damals vereinigten Regierungsbezirk Niederbayern/Oberpfalz wurden 22 derartige Erhängungsaktionen festgestellt, die sämtlich Gegenstand des umfangreichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Regensburg von 1950 bis 1955 waren. Die der Beihilfe zum Mord angeklagten Regensburger Gestaposchergen Popp, Kuhn und Ranner wurden 1955 vom Landgericht Regensburg freigesprochen.
Die Gesamtzahl ausländischer Zivilarbeiter (Zwangsarbeiter*innen), Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge, die zwischen 1939 und 1945 auf dem Gebiet des „Großdeutschen Reiches“ eingesetzt waren, werden von Prof. Mark Spoerer auf insgesamt 13,5 Millionen Menschen geschätzt, davon etwwa 20% Frauen. Sie mussten für geringe Bezahlung oder auch ohne Lohn in fast allen Bereichen der deutschen Wirtschaft Zwangsarbeit leisten. Ohne den Arbeitseinstz von Millionen Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und Häftlingen aus den Konzentrationslagern wäre die Weiterführung des Krieges für das Deutsche Reich spätestens ab 1942 nicht möglich gewesen. Aber auch in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten mussten Hundertausende von Menschen Zwangsarbeit für die deutschen Besatzer leisten.
Angesichts der kriegsbedingten Notwendigkeit des Einsatzes von Zwangsarbeitern wurde
eine umfassende Reglementierung ihrer Lebensbedingungen durchgesetzt. Ausländische
Arbeitskräfte sollten von der deutschen Bevölkerung getrennt leben. Ostarbeiter aus der
Sowjetunion und polnische Arbeiter mussten auf ihrer Kleidung die Aufnäher „Ost“ bzw.
„P“ tragen. Öffentliche Einrichtungen wie Kinos oder Schwimmbäder blieben ihnen verschlossen. Die meisten Zwangsarbeiter lebten in Lagern, von denen in Deutschland rund 30.000 existierten und in denen je nach Verpflichtungsart und Herkunft der Arbeitskräfte unterschiedliche Bedingungen herrschten. Je tiefer „Fremdarbeiter“ in der NS-Rassenlehre angesiedelt waren, desto schlechter waren ihre Lebensbedingungen. Behandlung, Unterbringung, Art der Beschäftigung, Lebensmittelrationen und Löhne nord- und westeuropäischer Arbeiter lagen weit über denen der „Ostarbeiter“. Die Verpflegungsrationen der Westeuropäer erreichten in etwa diejenigen der Deutschen. Ungenügende Ernährung und Misshandlung durch deutsche Vorarbeiter gehörten für die Mehrzahl der osteuropäischen Zwangsarbeiter vor allem in Städten zum Alltag. Viele kamen durch die miserablen Lebensbedingungen und durch die Willkür von Gestapo, Polizei, NSDAP und SS um.
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10. Nov 2023 - 19 Uhr
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