31. Mrz. 2021: Die Bunte Couch (Zoom-Veranstaltung)

Da es im Landshuter Stadtrat hitzige Diskussionen gab bzgl. der Umbenennung des Ina- Seidl-Wegs, wollten die „Neuen Landshuter“ unter Federführung von Ahmet Karaman die Debatte auf eine historisch objektive Ebene stellen. Dazu nutzten sie ihr Format der sog. „Bunten Couch“, um mit drei Referenten die Sachlage zu diskutieren.
Als erstes überprüfte der Junghistoriker Moritz Fischer die Verbindung der Schriftstellerin Ina Seidel zum Nazi- Regime. Sein Resumee lautete: während der NS-Zeit eine glühende Verehrerin des Regimes, und dementsprechend erfasste sie ihre Texte im Rahmen der Blut und Bodenideologie. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zeigte sie Einsicht und Abkehr von der Weltanschauung der Faschisten. D.h. für die Debatte im Stadtrat: man kann den Straßennamen gelten lassen, besser wär aber eine Abänderung oder eine ergänzende Tafel, versehen mit den historischen Fakten.
Hamado Dipama, ein ausgewiesener Experte was belastete Straßennamen anbetrifft. Er erforscht in München Straßennamen nach ihrer ideologischen Unbedenklichkeit. Es gibt in München etwa 300 – 400 Starßennaamen, die der näheren Überprüfung bedürfen. Ca. 30 davon sind in keiner Weise mehr tragbar nach heutigem politischen Verständnis. Dann wurde Franz Gervasoni, der 2. Vorsitzende des Stolpersteinevereins Landshut gebeten, seine Sichtweise der Erinnerungskultur im lokalen Bereich zu präsentieren. Im folgenden seine Darstellungen der Thematik mit der inhärenten Problematik in der Stadt Landshut.
Ich bedanke mich für die Einladung zu dieser interessanten und sehr wichtigen Veranstaltung. Mein Name ist Franz Gervasoni und ich bin 2. Vorsitzender des Vereins „Stolpersteine für Landshut – gegen das Vergessen e.V.“.
Das Thema, über das ich jetzt sprechen möchte, soll die Erinnerungskultur im lokalen Bereich näher durchleuchten.
Ich verzichte auf eine Auseinandersetzung mit der theoretischen und erinnungspolitischen Literatur. Wer das gerne tun möchte, dem seien folgende zwei Werke von Aleida Assman empfohlen:
„Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur“ und
„Der lange Schatten der Vergangenheit“.
Im ersten Titel wird eine Definition der Erinnerungskultur angeboten und es werden vier Modellle für den Umgang mit traumatischer Vergangenheit postuliert. Im zweiten Buch stehen individuelles und kollektives Gedächtnis im Vordergrund. Zusammen mit ihrem Mann Jan Assmann entwickelt Aleida Assmann die These, dass es bei der Erinnungskultur durchaus vorkommen kann, dass sich zwei völlig konträre Gruppen bilden, weil sie das kollektiv geteilte Wissen über dieVergangenheit unterschiedlich interpretieren.
Mit dem Auftreten der AfD in den deutschen Landtagen und im Bundestag soll die Erinnerungskultur umgewandelt werden. Besonders die Führungsfiguren der AfD, Björn Höcke und Alexander Gauland, stellen sich an die Spitze dieser Bewegung. Sie wollen die traditionelle Erinnerungskultur in eine lebendige Erinnerungskultur, „die uns vor allen Dingen und zuallererst mit den großartigen Leistungen der Altvorderen in Berührung bringt“, abändern. Björn Höcke fordert also eine „erinnerungspolitische Wende“ um 180 Grad. Unterstützt wird er dabei vom Ehrenvorsitzenden der AfD, Alexander Gauland, der die Gräuel der Nazis als „Vogelschiss der Geschichte“ abtut und in seinem Buch „Die Deutschen und ihre Geschichte“ die Zeit des Nationalsozialismus auf einen einzigen Menschen, nämlich Adolf Hitler, reduziert.
Erinnerungskultur muss kontinuierlich hinterfragt und diskutiert werden anhand des Leitfadens „Wie möchten wir uns an die NS-Zeit erinnern?“ Dabei soll eine wissenschaftliche Begleitung hilfreich und unterstützend sein. Ein essentielles Grundprinzip ist aber die Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppierungen, d.h. die breite Öffentlichkeit soll stets mit ins Boot geholt werden.

Erinnerungskultur in Landshut:
Sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit sachlich und objektiv auseinanderzusetzen, war in Landshut lange Zeit sehr problembehaftet und wurde z.T. nicht nur kontrovers, sondern feindselig diskutiert. Diese zögerliche Hinwendung zum traumatischen Thema gilt sicherlich für viele andere Städte und Orte auch, als Beispiele möchte ich Rosenheim, Passau und Ergoldsbach anführen. Selbst Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler in der neuen Bundesrepublik, postulierte die Formel: „Vergangenes vergangen sein zu lassen.“
In Landshut hat der Lokalhistoriker Heinrich Egner sehr viel und intensiv die Geschehnisse der NS-Zeit erforscht und in unzähligen einzelnen Zeitungsartikeln publiziert. Es ist aber nie gelungen, eine zusammenhängende Darstellung der historischen Abläufe und Verwicklungen vor Ort in Form eines Gesamtwerkes zu erarbeiten. Denn in der zusammenhängenden Chronik der Stadt Landshut von 1204 bis 1990 sind die epochalen Ereignisse chronologisch und thematisch abgehandelt, nur: es fehlen eben diese 12 Jahre der NS-Zeit und ebenso die Weimarer Republik. Nach einer Anfrage des SPD-Stadtrates gab es wohl für etwa zwei Jahre einen beim Stadtarchiv beschäftigten Historiker, der genau diesen Auftrag hatte, den weißen Fleck der Stadtgeschichte zu beackern. Dieser aber hat aus mir nicht bekannten Gründen dann wieder die Segel gestrichen. Die Begründung des Stadtarchivs bzgl. der noch lückenhaften Chronik liegt bei Personal- und Zeitmangel. Ist schon einleuchtend, wenn man dort die Chronik von 1991 bis 2004 weiterschreiben muss. Im Zuge der Auseinandersetzung im Fall Herzer haben die Grünen im Stadtrat wiederum den Antrag gestellt nach einer Fortschreibung der Stadtchronik. Egner selbst hatte sich im Jahre 2000 angeboten, einen Block zu bearbeiten, was aber abgelehnt wurde. Egner meinte dazu, er habe als SPD-Mitglied wohl das falsche Parteibuch gehabt. Zudem sagte er, dass eine Chronik über die NS-Zeit ohnehin nicht gewünscht gewesen wäre, denn es könnten ehrbare Bürger der Stadt belastet werden – wie etwa Bürgermeister Karl Futterer.
Das auf dem Gelände des ehemaligen Rocket-Clubs – im heutigen Industriegebiet – befindliche Arbeitslager als Außenlager des KZ Dachau wurde jahrzehnte lang verschwiegen. Am 2. Juni 1987 stellte Dietmar Franzke als Mitglied der SPD-Stadtratsfraktion den Antrag, der Stadtrat möge u.a. beschließen, eine Dokumentation bezüglich des Außenlagers in Landshut vom Stadtarchiv erstellen zu lassen. Nachdem er lange Zeit nichts über seinen Antrag gehört hatte, stellte Franzke seinen Antrag erneut am 21.2. 1989. In diesem zweiten Schreiben an den damaligen OB der Stadt, Josef Deimer, erinnerte er diesen an seine Aussage am 9. November 1988. Zitat aus dem Schreiben von Herrn Franzke:
„Am 9.11. 1988 haben Sie auf die Frage, warum es in Landshut im Gegensatz zu anderen bayerischen Städten keine offizielle Gedenkfeier zur „Reichskristallnacht“ gibt, erklärt, „vielleicht haben es Straubing und Regensburg nötiger“. Was immer der OB damit meinte, eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hat es auch danach nicht gegeben. Um eine weiße Weste weiterhin tragen zu können, haben Anfang der 1990er Jahre Bürger der Landshuter Gesellschaft an die Verwaltung der KZ-Gedenkstätte in Dachau einen Brief mit der Bitte geschrieben, an möge dort doch Landshut als Außenlager streichen, denn es war ja kein Konzentrationslager, sondern lediglich ein Arbeitslager bzw. ein Außenkommando. Dass dabei immerhin 83 jüdische Lagerinsassen wegen der katastrophalen Lagerbedingungen gestorben sind bzw. tatsächlich auch ermordet wurden, gespielt zu haben.
Ein zweiter eklatanter Fall von Negierung der historischen Fakten ist die Causa Karl Herzer. Die TGL hat fast 50 Jahre lang (1963 bis 2011) für einen vorbildlichen Jugendlichen den Karl-Herzer-Gedächtnispreis verliehen. Der Verein Stolpersteine hat dem Vorstand der TGL Ende 2011 die historischen Fakten zu Karl Herzer präsentiert. Herzer war zweifellos kein Mitläufer, sondern sehr eng mit der nationalsozialistischen Ideologie verwoben und hat diese auch in seinem Umfeld propagiert. So war er bereits seit 1. Dezember 1931 Mitglied der NSDAP und war SA- Mitglied. Zudem saß er für die faschistische Nazi-Partei von 1933 bis 1945 im Landshuter Stadtrat. Als damaliger „Führer“ der TGL war er in seiner ersten Amtszeit 1933/34 mit dafür verantwortlich gewesen, dass die TGL den Übergang in den Nationalsozialismus ohne Gegenwehr vollzog. Das bedeutete für die jüdischen Mitglieder – unter ihnen der großzügige Sponsor Adolf Hirsch – den Ausschluss bzw. Rauswurf aus dem Verein, der sich in aller Öffentlichkeit vollzog. Herzer hat die Landshuter Jugendlichen dazu animiert, in die Jugendorganisationen der Partei einzutreten.
Diesen klaren Tatsachen begegnete die Vorstandschaft der TGL mit der Aussage den historischen Sachverhalt vom Institut für Zeitgeschichte klären zu lassen. Als allerdings der Leiter des Instituts in einem Brief an den Vorstand darauf hinwies, diesen Preis wegen der Verstrickungen Herzers in das nationalsozialistische System fallen zu lassen, wollte man dies beim Verein nicht akzeptieren. Man ging in die Offensive und suchte sich einen Professor, der eine Bachelorarbeit zum Thema Herzer betreuen würde. Prof. Dr. Norbert Frei von der Uni Jena übernahm diese Aufgabe. Eine zweite Arbeit im Rahmen der Zulassung zum Staatsexamen am Gymnasium befasste sich ebenfalls mit diesem Thema. Außenstehende durften aber während des Entstehungsprozesses keinen Kontakt zu den Verfassern aufnehmen, und es konnten somit auch keine adäquaten Fragen gestellt werden. Skurril bis bizarr verlief dann die Vorstellung der Ergebnisse der beiden Arbeiten. Diese wurden vom Vorstand anhand einer Powerpoint-Präsentation erläutert. Obwohl beide Autoren anwesend waren, durften auch hier keine Fragen gestellt werden. Fazit der Bachelorarbeit: „Herzer war ein äußerst engagierter Nationalsozialist.“
Eigentlich waren die Fakten Karl Herzer betreffend schon seit 2003 bekannt. Damals sollte in Landshut-Auloh eine Straße nach Karl Herzer benannt werden. Der Beschluss wurde jedoch vom Kultursenat einstimmig zurückgenommen. Mitglied des Senats war damals auch die TGL-Vorsitzende (seit 2005) Prof. Dr. Goderbauer-Marchner. Meines Erachtens hätte die TGL hier Größe und Souveränität zeigen können, indem man die ehemaligen jüdischen Vereinsmitglieder rehabilitiert, was bis heute nicht geschehen ist, und dann diesen Jugendpreis nach Adolf Hirsch benennen können. „Förderer“?
Eine entscheidende positive Wende in der Erinnerungskultur der Stadt Landshut ist etwa seit 2010 zu verzeichnen, als sich Schul-AGs immer intensiver mit dieser Epoche in ihrer Stadt auseinderzusetzen begannen und dahingehend kritische Fragen und unangenehme Anträge gestellt haben. Nicht zu vergessen sei hier auch das Engagement und die fachlich hoch einzuschätzende Kompetenz von Herrn Dr. Mario Tamme vom Stadtarchiv. Er legt viele Grundsteine für weitere Forschungsprojekte zu diesem heiklen Thema. Das Schicksal der Landshuter Juden 1933 – 1942 wird in seinem Buch „Ich bin so traurig“ biografisch beschrieben. Weitaus gewaltiger und voluminöser ist das 2020 mit mehreren Co-Autoren erschienene Buch „Landshut 1939 – 1945 – Ein Zeitspiegel in Bild und Wort“.
Nicht minder bedeutsam sind die historischen Recherchen und Publikationen des jungen, überragenden Historikers Moritz Fischer. Er hat mit seiner Veröffentlichung „Zwangssterilisation und ‚Euthanasie‘ in Landshut“ ein relativ unbekanntes Forschungsobjekt in den Fokus gerückt. Außerdem hat er einige andere Themen aufgegriffen und z.T. in Videoprojekten umgesetzt, so z.B. die Ermordung von Dr. Franz Seiff.
Nicht unerwähnt möchte ich in diesem Zusammenhang lassen, dass die VVN-BdA-Gruppe Landshut schon 2005 sich dem Thema gewidmet und in ihrer Broschüre „Faschismus in Landshut“ erste wichtige Schritte im Bereich der Aufarbeitung geleistet hat. 2015 hat die VVN-BdA eine weitere Broschüre zum KZ-Außenlager Landshut veröffentlicht. Zurück zu den Schul-AGs, die diese Epoche der deutschen Geschichte in das lokale Bewusstsein gerückt haben. Nach wie vor finde ich die zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht erarbeitete Ausstellung „Ein Teil von uns – Spurensuche. Schicksale Landshuter Juden“ 2013, die Schüler*innen eines P-Seminars am HCG erarbeitet haben, wegweisend.
Nicht nur weil die Ausstellung einen Bogen spannt von der Situation der jüdischen Landshuter im Mittelalter bis zur NS-Zeit, sondern auch weil einzelne persönliche Schicksale mit all den furchtbaren Konsequenzen dargestellt werden. Darüber hinaus haben sich dabei noch intensive Kontakte mit Nachfahren der ehemaligen Landshuter Juden ergeben, zu denen wir eine persönliche Beziehung aufgebaut haben und die schon ein paar Mal in Landshut waren. Nach anfänglichen mehreren Ausleihen der Ausstellung ist diese leider in Vergessenheit geraten und schlummert im Archiv des HCG unbestimmten Zeiten entgegen. Sie könnte jederzeit von Institutionen, Schulen, Behörden, etc. ausgeliehen werden. Nicht minder wichtig erscheint mir die Arbeit des P-Seminars vom HLG zum KZ-Außenlager in Landshut. Dabei werden alle Namen – bis auf einen – der 83 umgekommenen Juden erforscht und benannt. Und es wurde eine neue Gedenktafel vom Künstler Mario Schoßer gestaltet und im Achdorfer Friedhof plaziert. Auf der alten Tafel stand nur „…ihre Namen sind unbekannt“. Vielleicht auch ein Indiz an der Interesselosigkeit, diese Fakten näher zu beleuchten und nachzurecherchieren.
Eine besonders interessante, aber sehr kontrovers diskutierte, Idee ging von der AG gegen Rassismus und Faschismus des HLG aus. Diese stellte 2010 an den Landshuter Stadtrat den Antrag, in Landshut Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegen zu lassen, wie er dies schon in vielen anderen europäischen Ländern und mittlerweile auch weltweit getan hat. Nachdem Kultursenat und Stadtrat diesem Antrag mehrheitlich zugestimmt haben, wurde das Stadtarchiv beauftragt die organisatorischen Schritte in die Wege zu leiten. Ausgehend von einer Aufstellung mit Namen von 24 in Frage kommenden jüdischen Bürgerinnen und Bürgern wurden am 2. Oktober 2012 die ersten neun Steine vom Künstler persönlich in der Theaterstraße und vor dem Moserbräu verlegt.
Im Vorfeld der Stolpersteinverlegung hat sich am 11. Januar 2012 der Verein „Stolpersteine für Landshut – gegen das Vergessen e.V.“ gegründet. Die in den Statuten des Vereins festgelegten Grundlagen legen den Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit den Schulen und die Recherche in den Archiven, um weitere mögliche Opfer speziell aus dem politischen Bereich zu finden. Leider ist die Wertschätzung und Wahrnehmung des Vereins in der Öffentlichkeit sehr gering, was z.B. die Mitgliederzahl anbelangt und der Besuch der vom Verein organisierten Veranstaltungen, die regelmäßig an den entsprechenden Gedenktagen stattfinden. Bis 2016 wurden weitere 17 Gedenksteine an Wohnorten verfolgter Landshuter Juden verlegt, d.h. es kamen abweichend von der ursprünglichen Liste noch fünf Steine für die Familie Wittmann in der Inneren Münchener Straße 12 dazu. Somit fehlen noch fünf Stolpersteine, die verlegt werden müssten, aber da Behörden auch den Verdacht nahe legt, dass dieses Projekt doch nicht so sehr angenommen wird. Das zeigen ebenso die Ansichten mancher Stadträte, die schon mal nachrechnen, welche Millionen sich der Künstler mit seinen Steinen verdient und es als ein ausgezeichnetes Geschäftsmodell erkannt haben wollen. (Da sag ich nur: Selber auf die Idee kommen!) Für mich ist dieses Kunstprojekt einmalig, beeindruckend und sichtbar, weil man stolpert mit den Augen über diese Steine und kann dann, wenn man will zum Nachdenken kommen.
Jeder Stein bringt ein Opfer mit einem Namen in das Gedächtnis der Gesellschaft zurück, gibt dieser Person eine Identität und holt sie in unsere Mitte. Denn diese Gräuel passierten vor den Augen aller in unserer unmittelbaren Nachbarschaft und nicht irgendwo weit weg. Wir vom Verein hoffen, dass sobald als möglich diese Steine verlegt werden, damit wir uns um weitere Opfergruppen kümmern können, z.B. eben um politisch Verfolgte, die noch gar nicht in der Diskussion stehen. Wir müssen auch der Euthanasieopfer in angemessener Form gedenken und haben uns überlegt für diese zahlreich Ermordeten (118 Menschen aus Stadt und Landkreis, 439 wurden zwangssterilisiert) eine Stolperschwelle legen zu lassen. Erfreulicherweise hat ein P-Seminar vom Gymnasium Seligenthal Audioguides zu den Stolpersteinen erarbeitet, so dass Besucher sich an den Steinen stehend mit einem QR-Code die biografischen Informationen anhören können.

Schluss und Ausblick:
Zusamenfassend möchte ich festhalten, dass sich seit etwa 2010 schon vieles in die richtige Richtung bewegt hat, wenngleich Ausführung und Umsetzung sich effizienter gestalten ließen. Positiv zu bewerten ist das Engagement der Schüler*innen und natürlich auch das der betreuenden Lehrkräfte, die Gott sei Dank sehr tatkräftig von den diversen Archiven unterstützt werden. Es mangelt aber noch am Zusammenwirken der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, Organe und Institutionen, um auch in Landshut die braune Vergangenheit sachlich und objektiv bearbeiten und aufarbeiten zu können. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass dies einer monumentalen Kraftanstrengung bedarf, was viel personelle und zeitliche Ressourcen erfordert. Dies sind wir nicht nur den Opfern schuldig, sondern auch zukünftigen Generationen, damit keinerlei Makel an irgendwelchen Personen hängenbleibt.
Wenn historische Fakten eindeutig die Nähe einer Person/Persönlichkeit zu einem verbrecherischen System belegen, sollte auch entsprechend gehandelt werden. So war die Stadt Cham jahrzehntelang stolz auf den Doyen der bayerischen Geschichte, auf ihren „berühmten Heimatsohn“, Prof. Dr. Karl Bosl. Seine Bronzebüste schmückte den Langsaal des Chamer Rathauses und ein Platz in der Stadt wurde nach ihm benannt. Als sich herausstellte, dass Bosl seine Biografie umfrisierte und die eines Widerstandskämpfers adaptierte, war die Ernüchterung groß. Die entsprechenden Gremien reagierten postwendend: der Prof.-Dr.- Karl-Bosl-Platz wurde wieder umbenannt und die Bronzebüste wurde im Archiv entsorgt. Dieses Beispiel zeigt, dass bei Aufbringung der nötigen Courage und Anerkennung der historischen Fakten solche Schritte einfach gegangen werden müssen, um die Glaubwürdigkeit beibehalten zu können. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Landshuter Stadtrat noch meine Bedenken zur Plakette im Rathaus vor dem Standesamt zur Diskussion mit auf den Weg geben. Dort ist zu lesen:

„Dr. Wernher Freiherr von Braun
einem Vater der Raketentechnik
der 1947 in Landshut lebte und
heiratete zum Gedenken 1983″

Mal abgesehen von sachlich nicht sauber recherchierten Fakten seinen Wohnort betreffend, was hier nicht näher erläutert werden sollte, muss man sich die historische Dimension des Wirkens von Wernher von Braun in der Zeit des Nationalsozialismus vor Augen halten. Als karrierebewusster Opportunist war er Mitglied in der NSDAP (seit 1937) und der SS (Obersturmbannführer), der nichts ausließ, was seinem Weiterkommen diente, auch wenn es ein Pakt mit dem Teufel war. Er entwickelte die Raketenwaffen V1 und V2. Ungefähr dreitausend V2 wurden abgefeuert und töteten Tausende englische und belgische Zvilisten. Zur Errichtung der Produktionsstätten dieser Waffen und zur Produktion selbst wurden Zwangsarbeiter aus den KZs verwendet, die sich Wernher von Braun z.T. selbst ausgesucht hatte. Laut historischer Forschung starben 20.000 KZ-Häftlinge an unvorstellbaren Strapazen.
Schulen in Bayern, die den Namen des Raketenforschers trugen, haben sich mittlerweile allesamt umbenannt. Charlotte Knobloch sagte, sie selbst wollte (Zitat) „jedenfalls kein Zeugnis in den Händen haben, das mit dem Namen eines Verbrechers in der Überschrift geziert wird.“ Dies zur Anregung für Diskussionen im Stadtrat. Danke!